Texte

Goethes Erben - Das "blaue" Album

(1) Pascal - Vorspiel
(2) Pascal I
(3) Zwischenspiel
(4) Pascal II
(5) Blau
(6) Rebell
(7) Nachspiel
(8) Absage


Pascal

Dein süßes Lächeln fing jedes Herz
Mehr als ein Jahrzehnt gebannt in Fleisch und Blut
das lachte, schrie und lebte
Schwarzes Haar im Kontrast zu blasser Haut
schimmerndes Pergament, das Deinen kleinen Körper
sanft umschloß
Du warst fröhlich
schriest und tobtest
sprangst
fielst
und ...

Unfaßbar war Dein Schweigen
Dein Lachen war verstummt
solange ich auch flehte
Du gebarst kein Wort
Du lagst nur da und schliefst
Die Zeit lief weiter
und in der Nacht hörte ich Dein Weinen
Dein Schrei, Dein Schrei, Deine Schreie
Nacht für Nacht hallten Deine Schreie
Die schwarze Leere spiegelt all die Tränen wieder
die ich vergoß
Mein Schmerz begann mich aufzufressen
Nacht um Nacht hallten Deine Schreie
Nacht um Nacht

Ein neuer Tag begann zu leben

Blau

Ich liebte abgöttisch das Gefühl, allein durch den Pulverschnee zu toben.
Meine Schritte entfachten durch das hohe Lauftempo einen kleinen Schneesturm,
in weiße Kristalle gehüllte Luft, in der sich das schwache Sonnenlicht verirrte,
um gemeinsam zu Boden zu sinken.
Ein schillernder Regenbogen begleitete jeden meiner Schritte,
doch allmählich verschwand Ring für Ring
und das kalte Licht des Mondes tauchte die Szene in sein blaues Licht.
Inzwischen war längst der letzte Sonnenstrahl vom Horizont verschluckt worden
und der einstmals leichte Pulverschnee änderte seine Konsistenz hin zu knirschendem,
spröden Eisschnee, der zum Tanzen einlud, sich überschlug.

Ich mag mehrere Stunden ziellos umhergeirrt sein,
geblendet von der weißen, in sich ruhenden Landschaft.
Abgelenkt von der im Gedankenspiel verlorenen, bedrohlichen Schönheit die mich umgab,
deren Teil ich geworden bin.
Die Kälte kroch zäh durch meine Sohlen und Wollsocken und verbiß sich in meinen Fußspitzen.
Doch der Schmerz war nur kurz, zu kalt war der geifernde Eiszahn.
Der Schmerz verschwand und war doch anwesend, man merkte ihn nur nicht mehr.
Doch die eisigen Zähne fraßen sich immer tiefer in mein Fleisch,
das in seinem violetten Schimmer an eine Ring des Regenbogens erinnerte.
Das blaue Mal der Kälte bedeckte meine Hände und Ohren,
und bei dem Versuch Eiskristalle aus meiner rechten Ohrmuschel zu streichen
, hielt ich dieselbe plötzlich ind er Hand.
Kein Tropfen Blut verließ die Bruchstelle und auch das kleine, dünne Stück Fleisch
unterließ es losgelou,l;st vom wärmenden Rumpf, roten Tau zu säen.
Belustigt entledigte ich mich des kleinen Stückes Fleisch, es roch nicht einmalversengt.
In hohem Bogen warf ich das blaue Ohr in die blauschwarze Nacht, welche die Szene schweigend beobachete.
Es schien mir als grinsten die Sterne höhnisch
und die Jungfrau Nacht trug extra ein tiefschwarzes Keid zu meiner nahenden Entseelung.
Nur die runde, silbrig glänzende Scheibe, des sonst mitleidlosen Mondes,
schien im Hauch von Mitleid zu strahlen.
Das Tempo meiner Schritte verringerte sich während dieses Gedankenspieles Meter für Meter.
Es war mir egal, ein oder beide Ohren zu verlieren.
Es war mir gleich, wieviel Haut blau schimmerte
und auch einem ganzen Bein würde ich nicht lange nachtrauern,
solange nur der Schmerz ausblieb - nicht in meine Nerven kroch ...
Die Zähne schlugen zwar tiefe Wunden, doch zumindest schmerzten sie nicht.
Zu lange mußte ich meinem Körper zu gefügte Qualen erdulden - in angenehm beheizten Baracken.
Manchmal sperrten sie uns tagelang in eine saunaähnliche Hitzekammer,
ohne Wasser, alleingelassen mit trockener, heißer Luft,
die Lippen in Minuten zu bizarren Kraterlandschaften verwandelte
und die Haut innerhalb von Stunden zu dürrem Leder schuf.
Sie brannten uns Buchstaben auf die Haut, um ihr Analphabetentum zu beenden.
Ich konnte den Geruch von versengtem Fleisch nicht mehr ertragen, doch er war allgegenwärtig.
Sie zwangen uns unsere Toten zu zerlegen
und sie servierten uns das gebratene oder gekochte Fleisch der entseelten Körper,
doch Menschenfleisch ist zäh und so zerbrachen meine morschen Zähne
beim Kauen der unmenschlichen Kost -
und wenn ich während der Fütterung erbrach, so verschluckte ich das Erbrochene
gemeinsam mit dem gebratenen Fleisch immer wieder, wie ein Wiederkäuer ...

Ich kaute stundenlang auf den Fingern meines Freundes,
die ich unzählige Male wieder hervorwürgte und verschluckte.
Warmes Fleisch entriß mir meine Zähne
und jetzt schlugen kalte Zähne in mein blaues Fleisch.

Irgendwann trugen mich meine Beine nicht mehr weiter,
sie verweigerten meinen Wunsch zu marschieren.
So blieb mir nichts anderes übrig, als meine Flucht zu unterbrechen.
Meine tauben Hände gruben im hüfthohen Schnee eine kleine Höhle, in die ich mich verkroch.
Es roch nicht nach Fleisch und durch die Eiskristalle hindurch
konnte ich die Sterne in einem bunten Feuerwerk betrachten.
Alles, bis auf die funkelnden Sterne und das fahle Gesicht des Mondes
war in blaues Licht getaucht.
Wie ein Schwamm Tinte,so sog mein Körper die königliche Farbe in sich auf
. Zentimeter für Zentimeter kroch der lauernde Schimmer über meine Haut -
tief in meinen Körper.

Es war ein wunderbares Gefühl keine Schmerz zu empfinden.
Die ganze Welt war blau,
nur die Sterne und der Mond distanzierten sich von diesem uniformen Farbton.
Mit einem Mal wurden die Sterne weiß und ihr Licht immer intensiver,
das weiße Licht drängte das tiefe Blau immer mehr in den Hintergrund.
Die einzelnen weißen Punkte schmolzen zu einer grellweißen Fläche.
Es war Tag geworden.
Das Blau verschwunden.
Hunde bellten.

Rebell

Die Asymentrie der Spur verwirrt
verrät keinen gefaßten Entschluß
Deine Schlacht Rebell
ist ein Punkt fernab einer Flucht

Einst stotternd im Wortlaut
spricht er heute im fließenden Wall die Gedanken aus
die einst seinen Geist zu sprengen suchten
Wohin schreitet der Besiegte
nach gestorbener Schlacht ?
Die stummen Tränen
verächtlich lachender Nähmäuler
wollen ihren Zauderstrom
zu spuckendem Haß sich bäumen lassen
ringend und fesselnd
dich Rebell erfassen

Gleicht der Fisch dem Vogel
wenn er im fehlenden Naß leidet zu Staub ?
Doch bevor der Rebell in der zaudernden Flut ertrinkt
muß erst Zorn und Schmerz
Trauer und Lust auch Freude tödlich wirken ?
Wie weiterleben wenn er im Lachen ertrinkt ?
Einen stotternden Vogel überleben ?
Wenn er denn vom Schuppentier erlernt zu schweben
in Luft und Wasser ?
Stotternd in Trauer ertrinkt
Lustvoll lachend im schmerzlichen Zorn
ertränkt von nassem Atem

Rebell besiege die
die besiegt werden müssen
bevor sie Dir Deinen Atem stehlen
Es ist Deine Schlacht
keiner kann Dich stützen
denn nur Du allein vermagst es
Deine Zunge siegreich zu führen

Es ist Deine Schlacht

Scheinbares Weiß ist Dein Freund
im verborgenen Schwarz wartet ein Freund
Im Schwarz dürrt kein Fisch
kein Vogel ertrinkt
und keiner sieht Deinen Augenblick Rebell
Auch wenn Schmerz Dich öberkommt
die Lust verwirrt
der Zorn Dich rasen läßt
Dich Trauer zart berührt
Dich einfach lachen läßt und schreit
Meide Weiß Rebell
denn nur der Punkt auf weißer Fläche
spricht von Deiner Gegenwart

Und irgendwo im weißen Feld
wartet eine Stimme
die Dich besser kennt
als jeder Freund
die Dir Sprache gab
ein Herz das schlug
Dich nie verließ
auch wenn sie nicht verstand
Eine Frau
Ein Teil von ihr bist Du